Über die Lebensverhältnisse der 'Salzburger' in Ostpreußen.

Über die Lebensverhältnisse der 'Salzburger' in Ostpreußen.

Beitragvon -sd- » 03.12.2020, 19:29

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Rezession von Wolfgang Thüne am 4. Oktober 2017
in der PREUSSISCHEN ALLGEMEINEN ZEITUNG.

Über die Lebensverhältnisse der 'Salzburger' in Ostpreußen.

George Turner 'Salzburger, Ostpreußen. Integration und Identitätswahrung'.
Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2017, gebunden, 128 Seiten, 14,96 Euro.

Hatte George Turner, Universitätsprofessor und früherer Berliner Wissen-
schaftssenator, in seinem ersten Buch 'Die Heimat nehmen wir mit' den
Schwerpunkt auf die Salzburger und seine Familie gelegt, die 1732 aus
Glaubensgründen ihre Heimat verlassen mußte, so konzentriert sich der
Autor in seinem neuen Buch auf die Lebensverhältnisse der "Salzburger
in Ostpreußen" und deren mühsamen Versuch, den Zusammenhalt trotz
des Auseinanderdriftens nach 1945 zu erhalten und zu fördern. Vieles
ist von ihm zu summarisch, auch zu euphorisch behandelt worden. Dies
betrifft vor allem das Verhältnis zur ansässigen Bevölkerung. Friedrich
Wilhelm I. hatte die Verwaltung im Jahr 1714 in zwei Kammern gegliedert,
die Deutsche und die Litthauische mit den Ämtern Insterburg, Tilsit, Ragnit
und Memel. Von den etwa 15.000 im Jahr 1732 angekommenen "Salzburgern"
wurden rund 12.000 in Gumbinnen angesiedelt. Obwohl der König die
Domänenkammern angewiesen hatte, die Salzburger "soviel immer möglich
... unzertrennt anzusiedeln", kam es zu keiner geschlossenen Ansiedlung.

Waren sie "bisher bei ihrem Zug von der Bevölkerung mit Freude und Hoch-
achtung empfangen worden", so wurden sie vor Ort "von den schon Ansässigen
mißtrauisch betrachtet". Unterstützung erfuhren sie nicht, was sich in Krank-
heiten und vermehrten Todesfällen äußerte. Groß waren die "Mentalitäts-
und Sprachprobleme" zu den Ansässigen mit deutschen, litauischen, schweizer
und französischen Wurzeln. Aber auch ansonsten hatten die Salzburger
schwere Zeiten zu überstehen: "Der Winter 1742 war besonders hart, daß
die Obstbäume ruiniert waren; 1745 herrschte eine extreme Mißernte;
1750 hat eine Viehseuche die Bestände bis auf zehn Prozent reduziert;
1755 herrschte so starker Frost, daß sogar Menschen erfroren; 1756 machte
der Wassermangel sehr zu schaffen."

Die Bauern erhielten grundsätzlich an Grundbesitz etwa so viel wie sie in
der Heimat besessen hatten, dazu ein Wohnhaus mit den notwendigen
Wirtschaftsgebäuden und Geräten. Den Salzburgern wurde durch "den
Sozietätsvertrag vom 17. September 1736 eine gewisse Sonderstellung"
eingeräumt.

Nach dem "ersten Erschrecken über eine Umwelt, die sich von ihrer Heimat
so grundsätzlich unterschied", haben die Salzburger "rasch zu einem Gefühl
der Landeszugehörigkeit gefunden, aber dennoch ihr Gruppenbewußtsein
bewahrt".

Die Salzburger waren gute Pferde- und Viehzüchter. Für den ­Ackerbau ent-
wickelten sie eine ertragreiche Arbeitsweise und verstanden es, Butter und
guten Käse herzustellen. "Preußisch-Litthauen war nicht nur die Kornkammer,
sondern auch das Kartoffelland Preußens." "Fleiß und Arbeitseifer waren
bestimmende Faktoren des Lebens, wobei wirtschaftlicher Wohlstand in
der protestantischen Ethik als gottgefällig" verstanden wird.

Die Salzburger haben 1758 den Einmarsch der Russen, 1807 den Durchmarsch
der Franzosen, den Weltkrieg 1914/1918 und den Weltkrieg 1939/45 mitge-
macht – bis zur Vertreibung. Besonders hat es die "selbstständigen Landwirte"
getroffen, bei denen "von der Politik die Hoffnung genährt" wurde, "daß es
ein Zurück gäbe". Diese Hoffnung war 1961 auch noch "bei über 50 Prozent
der Vertriebenen vorhanden". Als diese Hoffnung langsam zerbrach, redu-
zierte sich alles auf die Pflege des "Bewußtseins der Herkunft".

Eines Tages wird Ostpreußen wie Elsaß-Lothringen betrachtet:
"Ich hab gehört, das soll mal deutsch gewesen sein".
Umso wichtiger ist es, daß "Oma und Opa" mit diesem Buch den
Enkeln und Urenkeln das Wissen um die Herkunft im "Land der
dunklen Wälder" weitergeben und ihnen die landschaftlichen Reize
ihrer Heimat zeigen.

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